Zwischen Anforderung und Überforderung: kommunale Wohnungsunternehmen im Spannungsfeld
Soziale Wohnraumversorgung auf der einen Seite, steigende finanzielle Erwartungen des Gesellschafters auf der anderen: In welchem Umfang können sich Bestandshalter für stabile Nachbarschaften und damit sichere Quartiere engagieren, wenn Stadtkämmerei und Öffentlichkeit immer strenger auf Renditen blicken?
Soziale Wohnraumversorgung auf der einen Seite, steigende finanzielle Erwartungen des Gesellschafters auf der anderen: In welchem Umfang können sich Bestandshalter für stabile Nachbarschaften und damit sichere Quartiere engagieren, wenn Stadtkämmerei und Öffentlichkeit immer strenger auf Renditen blicken?
"Mangelnde Bildung, Arbeitslosigkeit, soziale Integration und der demografische Wandel tangieren viele Lebensbereiche und beschäftigen die Wohnungswirtschaft intensiv", sagt Ralf Zimlich, Vorsitzender Geschäftsführer der WIRO Wohnen in Rostock. Themen, an denen auch das kommunale Wohnungsunternehmen an der Ostsee nicht vorbeikommt, und doch ticken die Uhren der Hansestadt ein wenig anders: Gegen den Trend entwickeln sich Einwohner- und Arbeitsplatzzahlen positiv. Migranten, die noch vor der Wende aus Asien oder Afrika kamen, und deren Anteil bei drei Prozent liegt, sind heute längst integriert. Sie gehen ihrer Arbeit nach und sprechen in der zweiten Generation fließend Deutsch. „Unser Integrationsthema heißt deshalb vor allem Zusammenleben von Alt und Jung", so der Geschäftsführer.
Soziale Stadt für Jung und Alt
Mit 1,7 Bewohnern ist ein Rostocker kleiner als ein durchschnittlicher deutscher Haushalt mit 2,05 Personen. Fast jeder zweite WIRO-Mieter ist außerdem über 50 Jahre alt. Dieser Entwicklung begegnet die WIRO mit innovativen Marketingstrategien für Studenten und Azubis. Ziehen diese auf der Suche nach einer beruflichen Perspektive in die Hansestadt, prallen jedoch unterschiedliche Tagesrhythmen, Arbeits- und Lebensmodelle von Alt und Jung aufeinander. Dieser Prozess, erklärt Ralf Zimlich, verlaufe nicht immer problemlos. „Als verantwortungsvoller Quartiersentwickler und -Betreuer, der weiß, in welchen Stadtteilen Probleme und Potenziale liegen, unterstützen wir Vereine und soziale Projekte aktiv und gezielt." Kommunale Wohnungsunternehmen seien Spezialisten darin, unterschiedliche soziale Gruppen in stabile Nachbarschaften zusammenzuführen: „Wir sind Sprachrohr, Netzwerker, fördern und fordern gesellschaftliche Maßnahmen." Den Fokus richte man aus diesem Grund auf die Förderung von Bildungs-, Sport- und Freizeitthemen, so der Geschäftsführer.
Dafür setzt die WIRO auf Sozialarbeiter im eigenen Personalbestand, unterhält drei Mietertreffs, betreibt acht Turnhallen, eine Schwimmhalle und einen Sportpark mit Tennisplatz. Zahlreiche sportliche oder kulturelle Veranstaltungen des Unternehmens wie das Eislaufen und das ABC-Schützenfest verbessern neben Mieter-, Straßen- und Quartiersfesten die Lebensqualität in der Stadt. Erst kürzlich investierte die Gesellschaft 25.000 Euro in einen neuen - ihren insgesamt 88. - Spielplatz.
Investitionen wie diese, so der Geschäftsführer, hätten zweifellos einen erheblichen Einfluss auf den Wert des Immobilienvermögens und damit auf Bonität und Finanzkraft der Wohnungsgesellschaft: „Viele Projekte, vom Sportplatz bis zum Seniorenspielplatz, rechnen sich nicht direkt, sondern erst in der Zukunft. Ich brauche aber keine Renditen, um zu wissen, dass es auf lange Sicht rentabel ist, in diese Projekte zu investieren, weil damit die Qualität und die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens entscheidend beeinflusst wird."
Stelzenhochhaus „Rasmus": Gutverdiener im Plattenbau
Neben der veränderten Altersstruktur besteht heute in Rostock die paradoxe Situation, dass der Arbeitsmarkt wächst, die Arbeitslosenquote aber relativ stabil bleibt, weil Arbeitskräfte mit entsprechenden Qualifikationen zuwandern. Auch diese gilt es zu integrieren: „Deshalb ist es eine unserer wichtigsten Aufgaben, den Plattenbaubestand - der ein gutes Produkt ist und demzufolge eine dauerhafte Berechtigung am Wohnungsmarkt hat - qualitativ so aufzuwerten und zu gestalten, dass sich auch Gutverdiener dort wohl fühlen." Die Herausforderung der Zukunft sieht Ralf Zimlich darin, Wohnungsangebote noch attraktiver zu gestalten - durch den Einbau von Aufzügen oder auch den Um- und Neubau von Mietwohnungen.
Ein signifikantes Beispiel für erfolgreiche Integration ist das Stelzenhochhaus „Rasmus" im Nordwesten der Hansestadt. Zu DDR-Zeiten nicht fertig gebaut und von hohem Leerstand betroffen, plante die WIRO bereits den Abriss. Stattdessen entschied sich das Unternehmen dann aber doch für eine ungewöhnliche Maßnahme. Das Konzept, ein mit 33,5 Millionen Euro exklusiv saniertes Hochhaus in ein Plattenbaugebiet zu involvieren, wurde zwar interessiert, aber vor allem skeptisch von der Fachwelt beäugt. Mit dem „Rasmus" ist jedoch allen Zweifeln zum Trotz ein großer Wurf gelungen: Ein architektonisches Highlight ist entstanden, in dem die hippe Modeverkäuferin neben dem Hochschulprofessor wohnt. Das Haus mit Schwimmbad, Sauna und 356 hochwertig ausgestatten Wohnungen ist voll vermietet.
Unter zwei Prozent Leerstand - so niedrig wie seit 15 Jahren nicht
Neben der sozialen Verantwortung, dafür zu sorgen, dass Quartiere auch ohne staatliche Förderung funktionieren, senkt die Wohnungswirtschaft gleichzeitig die Finanzlasten des öffentlichen Haushaltes: 2011 erfüllte die WIRO ihren kommunalen Auftrag mit 14,5 Millionen Euro Gewinnausschüttung aus dem Bilanzjahr 2010. Trotz der angespannten Situation auf den Kapitalmärkten erweist sich die Finanzpolitik der WIRO als stabil: Mit einem Marktanteil von über 30 Prozent prägt sie das Gesicht Rostocks. 203.000 Hansestädter leben in der größten Stadt und dem wirtschaftlichen Zentrum Mecklenburg-Vorpommerns. Die Mieten des Bestandes, der aus 36.000 modernisierten Wohnungen besteht, liegen heute bei durchschnittlich 5,52 Euro pro Quadtratmeter. Für Instandhaltungsmaßnahmen plant die Gesellschaft 2012 rund 24 Millionen Euro auszugeben, im Durchschnitt fast zwölf Euro je Quadratmeter. „Die Investitionen der vergangenen und künftigen Jahre", zeigt sich der WIRO-Geschäftsführer überzeugt, „sichern die Qualität unseres Wohnangebotes und werden durch die Rostocker Bevölkerung voll akzeptiert: Die Leerstandsquote ist mit derzeit unter zwei Prozent so niedrig wie seit 15 Jahren nicht."
Noch vor Feststellung des Jahresabschlusses 2011 zeichnet sich ab, dass die WIRO ihr sehr gutes Ergebnis aus dem Vorjahr mindestens wieder erreichen kann. „Unser Ziel für die Zukunft ist es, die Jahresergebnisse auf dem erreichten Niveau zu stabilisieren und auch weiterhin die Renditeerwartungen unseres Gesellschafters zu erfüllen." Zwischen verantwortungsvoller Bestands- und Quartiersentwicklung und den gleichzeitig steigenden finanziellen Ansprüchen des Gesellschafters gäbe es jedoch ein Spannungsfeld, das durch den Abbau staatlicher Förderprogramme noch wachse, bedauert Ralf Zimlich. An dieser Stelle laufen Wohnungsunternehmen Gefahr, überfordert zu werden.