Der Maler und seine Mühle
Ein roter Kussmund hat ihn weltberühmt gemacht. Aber Feliks Büttner hat viel mehr zu erzählen. Ein Besuch in seiner Mühle.
Zwischen Lichtenhagen Dorf und Elmenhorst geht rechts ein Feldweg ab, der führt zur kleinen Mühle. Im Baum hängt ein bunt bemalter Schlitten. Eine gelbe Telefonzelle und eine kleine Holzbühne stehen im Garten. Mittendrin, unter einem Sonnenschirm vor blauer Katzenminze, sitzt Feliks Büttner. Die Hose blau-weiß gestreift, das T-Shirt knallrot, die Haare etwas zerzaust. Wie jeden Tag ist Feliks Büttner zeitig aufgestanden, er hat ein Geburtstagsbild für einen Freund gemalt und genießt jetzt ein Glas Rosé in der Sommersonne. Seine Laune: ebenfalls sonnig. Entspannt plaudert der 76-Jährige aus seinem Leben.
Feliks Büttner kann zufrieden sein. Als Künstler ist er erfolgreich. Er wohnt in einem Paradies, ist gesund und meistens fröhlich. »Ich habe einen Beruf, der bis zum letzten Tag gilt. Wer kann das schon von sich sagen?« Vielleicht ist das sein Glücksrezept: Feliks Büttner klammert sich nie verbissen an ein Ziel. Fällt eine Tür zu, probiert er die nächste. Und hört dabei vor allem auf seinen Bauch. Seine Kindheit in Sachsen: die Moritzburg, russische Filme im Kino, Malunterricht bei Herrn Zorn – daran denkt er gern zurück. Der kleine Feliks ist eigensinnig. »Was ich nicht wollte, habe ich nicht gemacht.« Mathe zum Beispiel. Mit Ach und Krach schafft er die 8. Klasse. Er lernt Dekorateur, verschönerte Schaufenster für den »Konsum«. Aber da kommt er auch mit seiner Kreativität nicht weit. »Hauptsächlich musste ich tote Fliegen aus der Auslage kehren.«
Als ein Kollege ihm eine schöne Postkarte von der Ostsee schickt, kauft er eine Zugfahrkarte bis Bad Doberan, für 4,60 DDR-Mark, ein Weg. Er klemmt sich ein paar A4-Blätter unter den Arm und spricht an der Fachschule für Angewandte Kunst in Heiligendamm vor. Feliks Büttner wird angenommen – und fliegt ein Jahr später wieder raus. »Wegen unbedachter Äußerungen.« Den Mund lässt er sich trotzdem nicht verbieten. Er sagt, was ihm durch den Kopf geht, unterhält Kontakte in den Westen – und wird in der DDR erfolgreich. »Ein paar Dämpfer musste ich wohl einstecken, aber eigentlich hat man mich machen lassen.« Ein paar Jahre zieht er durch die Republik, malt Plakate für die Theater in Rostock und Frankfurt an der Oder, gestaltet Fassaden und Transparente.
1967 findet er seine alte Mühle in Lichtenhagen Dorf. Keine Liebe auf den ersten Blick, eher eine Entscheidung aus Not. »Wohnungen gab es nicht und ich brauchte ein Dach über dem Kopf.« Das ist leider undicht. Überhaupt ist die Mühle, Baujahr 1836, eine Bruchbude. Feliks Büttner stottert die Kaufraten ab und bringt sein Heim Stück für Stück in Schuss. »Ich bin immer noch nicht fertig.« Gerade erst hat er neue Fensterbeschläge angebracht. »Wenn wieder etwas geschafft ist, erfüllt mich das.« Ein Ausgleich zum Malen.
»Ich kann nicht den ganzen Tag ein- und dieselbe Sache machen.« Er ist rastlos, unermüdlich, immer ein bisschen nervös. Wenn der Künstler mal ein paar Tage faulenzt, geht’s ihm danach schlecht. »Das fühlt sich an wie ein Kater.« Feliks Büttner ist oft unterwegs. Aber er würde nie woanders leben wollen. »Ich fühle mich diesem Ort verbunden, da ist eine große Festigkeit zwischen uns gewachsen.« Nicht nur wegen der vielen Nägel, die er hier eingeschlagen hat. Über die Jahrzehnte hat Feliks Büttner unzählige Schätze auf den fünf Etagen und dem Grundstück angesammelt. Kunst, Antikes, Trödel: ein Mühlstein, eine Radwelle, eine Schaufensterpuppe und Hunderte alte Fischdosen. »Jedes Ding bedeutet mir etwas.«
Manchmal fühlt sich Feliks Büttner wie ein Schlagersänger. Wenn kichernde Damen neben ihm tuscheln, ihn um ein Selfie oder ein Autogramm bitten. Seine Prominenz ist ihm suspekt, sagt er. »Aber das gehört eben dazu.« Erst recht, weil sein Markenzeichen, den AIDA-Kussmund, fast jeder kennt. »Ich wäre vielleicht lieber für etwas anderes berühmt geworden. Aber ich kann das verkraften.«
Feliks Büttner ist sich nicht zu schade. Er unterhält die Kreuzfahrer mit seinen Mal-Musik-Shows, entwirft Plakate, Handyhüllen, illustriert Bücher und bemalt Keramiken. Ob er stolz ist auf seinen Erfolg? »Stolz ist etwas Fürchterliches.« Was ihn maßlos ärgert: »Menschen, die eine Sekunde lang auf ein Bild gucken und sofort sagen: ,Das ist scheiße’«. Was ihn inspiriert: ein Fernsehbeitrag, ein dicker Bauch im Urlaub, Blumen. Was ihm ein Gräuel ist: Computer, Handys, Fast Food. Ein Mobiltelefon hat er nur für die Not. Um den Computer kümmert sich Miss Moneypenny, wie er seine Lebensgefährtin und Assistentin Simone Fuhrmann liebevoll nennt. Sie schreibt seine Rechnungen, erledigt E-Mails und Telefonate. »Diese Schnüre überall! Ich lasse mich nicht von der Technik terrorisieren.« Auch wenn das, so schwant ihm, ein Kampf gegen Windmühlen ist.