Kurze Liebe
Dass zwischen Mensch und Tier eine Menge schief läuft, kann man im Tierheim Schlage sehen. Was Corona damit zu tun hat, wissen Angelika Streubel und Norbert Schlösser.
Corona hat so einiges in den Menschen hervorgebracht. Zum Beispiel den Wunsch nach einem Tier. Die lange Zeit zu Hause, Einsamkeit, wenige gesellschaftliche Vergnügen – da wuchs die Sehnsucht nach einem Begleiter mit Fell. Weil seriöse Züchter die aberwitzig hohe Nachfrage nicht bedienen konnten, traten Geldschneider auf den Plan. Sie vermehrten Hunde wie am Fließband, sie kauften Welpen billig auf osteuropäischen Bauernhöfen ein und verhökerten sie teuer auf Ebay. »Die Hunde wurden viel zu früh von der Mutter weggenommen, waren oft krank und nicht sozialisiert«, erklärt Angelika Streubel vom Tierheim Schlage. Das nächste Problem: Unerfahrene Menschen kauften sich niedliche Jagd- oder Hütehundwelpen und machten sich kein Bild davon, was es später bedeutet, einen erwachsenen Arbeitshund zu beschäftigen und auszulasten. Eins kam zum andern – und nun landen die Tiere im Heim.
Verantwortung für bis zu zwei Jahrzehnte
Nico zum Beispiel. Der braune Deutsch Kurzhaar, ein bildschönes Tier, ist sechs Monate alt, hyperaktiv und eigentlich immer auf 180. An der Leine kann er es schwer aushalten, er ist kaum ansprechbar, bellt und jault bei jedem Reiz. Sein Frauchen stand vor ein paar Wochen verzweifelt in Schlage, seitdem lebt Nico im Hundehaus. »Wir trainieren täglich mit ihm, aber es wird ein langer Weg, bis er vermittelt werden kann.«
»Nico ist jung und er wird hoffentlich irgendwann eine Familie finden«, sagt Tierheimleiter Norbert Schlösser. Anders sieht es bei seinen Artgenossen im Hundehaus 2 aus. Hier leben Cane Corso Fips, Bullterrier Emmy und die Old-English-Bulldog-Dame Heidi. Imposante Hunde mit Ecken und Kanten. Passende Menschen zu finden, ist schwer. »So einen Hund aufzunehmen, ist eine hohe Verantwortung.« Schließlich soll er nicht gleich wieder im Heim landen, sondern mit seinen Menschen durch viele Lebenslagen gehen, im Fall von Hund - oder auch Katze - bedeutet das eine Verantwortung für ein bis zwei Jahrzehnte.
Oft im Einsatz – viel zu oft
Angelika Streubel hat Hundeblut, sagen ihre Kollegen. Die Tierheim-Mitarbeiterin ist seit fünf Jahren auch Vorsitzende vom Rostocker Tierschutzverein. Feuerwehr, Polizei und Veterinäramt holen die blonde Expertin dazu, wenn sie verwahrloste Tiere finden oder Vierbeiner in Notlagen stecken. Sie ist oft im Einsatz. Die beherzte Tierfreundin könnte verzweifeln, wenn sich Menschen gedankenlos einen Hund anschaffen, sich nicht genug kümmern – und dann die Flinte ins Korn werfen, wenn er schnappt, Kinder nicht mag oder ins Haus macht. »Und dann sagen sie noch, nicht sie sind schuld, sondern der Hund.«
230 Tiere leben aktuell in Schlage
Nicht nur Hunde und Katzen, auch Teppichpythons, Schildkröten, Kaninchen und Vögel. Seit Anfang der 90er-Jahre finden verwaiste Tiere in der ehemaligen Rinderzuchtanlage ein Zuhause. Mit Spenden wurden die alten Baracken Stück für Stück hergerichtet. Heute haben’s alle Tiere warm und trocken. Im Katzenhaus leben die Mietzen in gemütlichen Stuben mit Kletterbäumen, Decken und Puppenbettchen. Auch so eine Corona-Nachwehe: Weil im Vorjahr sehr viele Menschen eine Katze aufgenommen haben, wurden in diesem Sommer viele nicht vermittelt. Darum warten derzeit viele junge Kätzchen auf Familienanschluss. Ohne spendable Tierfreunde könnte Schlössers Team die Bewohner nicht versorgen, denn Futter, Tierarzt, Energie kosten viel Geld. Auch die WIRO unterstützt das Tierheim seit langem. Erst in diesem Jahr hat das Wohnungsunternehmen den Bau eines 500 Quadratmeter großen Auslaufs für Hunde finanziert. Der ist fast fertig. Angelika Streubel freut sich schon drauf: »Hier wollen wir mit den schwierigen Hunden trainieren, sie sollen sich auch mal frei bewegen können.«
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