Endlich vollendet
Das Fünfgiebelhaus hat im Herzen von Wolfgang Friedrich einen besonderen Platz. Aber jedes Mal, wenn der Rostocker Bildhauer über den Uniplatz spazierte, versetzte ihm der Anblick einen kleinen Stich. Nun saniert die WIRO den Gastro-Komplex und die Kunst am Bau mit seiner Hilfe.
Der Rostocker Bildhauer gehörte zur Künstlergruppe um Architekt Peter Baumbach. Mitte der 80er Jahre war er am Bau beteiligt. Er ist heute noch so begeistert wie damals: »Dass das Fünfgiebelhaus in den letzten Jahren der DDR möglich war, als das Land schon in Agonie verfallen war, glich einem kleinen Wunder.« Zu verdanken ist das, sagt er, in erster Linie dem Architekten Baumbach. »Er hat es verstanden, alle Beteiligten zu motivieren und zu führen.« Wolfgang Friedrich, Lothar Sell, Jo Jastram und die anderen Künstler haben die Nächte durchgemacht, Reliefs, Figuren, Malereien vollendet, damit zur Einweihung im Sommer 1986 alles perfekt war.
Mit Wertschätzung für DDR-Architektur war es Anfang der 90er nicht weit her
Leider hatte der stolze Bau mit dem Café »Meerschaum« und der modernen Buchhandlung nur wenige glanzvolle Jahre. Dann kam die Wende. Die Ladenbetreiber wechselten. Mit Wertschätzung für DDR-Architektur war es Anfang der 90er nicht weit her. Im Gegenteil: Die kunstvollen Türgriffe vor den Geschäften verschwanden, wie auch große Teile der liebevollen Inneneinrichtungen. Beispielsweise das Treppengeländer im Café: ein handgefertigtes Kunstwerk von Wolfgang Friedrich über drei Etagen. Mit Figuren auf den Handläufen, versteckten Reliefs, Verzierungen. Einen Treppenhandlauf haben Mieter einfach abgesägt, mehrere Skulpturen fehlen. »Das hat mich all die Jahre sehr bekümmert.«
Wieder versöhnt
Nach einer langen Zeit des Haderns ist Friedrichs Künstlerseele heute wieder versöhnt. Denn: Das Fünfgiebelhaus und seine vielen Kunstwerke stehen mittlerweile unter Denkmalschutz. Bis zum nächsten Sommer saniert die WIRO die ehemaligen Gastro-Lokale in der Breiten Straße – und lässt gleichzeitig die Kunst aufarbeiten. »Wir wollen die Werke behutsam anfassen und dort, wo es geht, in den ursprünglichen Zustand versetzen«, erklärt Jan Voß, Leiter der WIRO-Abteilung Technik Wohnungswirtschaft. Und wer könnte das besser umsetzen, im Sinne der Künstler von damals, als Wolfgang Friedrich? Denn die meisten Weggefährten leben nicht mehr. Friedrich wird einige Restaurierungen selbst übernehmen, andere in Auftrag geben und betreuen. Sein Treppengeländer aus dem ehemaligen Café wurde schon abmontiert, es liegt in nummerierten Einzelteilen in einer Bronzegießerei in Ziesendorf. Beulen im Metall müssen ausgewuchtet, fehlende Teile ersetzt werden. In seinem Atelier arbeitet Friedrich an Gussformen für die verschwundenen Bronze-Figuren.
Wolfgang Friedrich hat noch etwas vor
Er will nun endlich seinen Figurenumlauf vollenden. Sechs Skulpturen hatte er 1989 für die Stundenuhr von Lutz Holland geschaffen. Ein kurzfristiger Auftrag mit einem offiziellen Einweihungstermin. Der Umlauf wurde rechtzeitig an die Fassade gebracht – jedoch war der Künstler mit seinem Werk noch nicht zufrieden. »Wir wollten die Figuren später wieder abnehmen, damit ich sie beenden konnte.« Dazu kam es nie, wenige Wochen später fiel die Mauer. Nun will er die Bronzefiguren, unter anderem ein Yin-Yang-Symbol, den Götterboten Hermes und eine gefiederte Schlange, säubern und teilweise vergolden. LEDs an der Fassade sollen sie anstrahlen. »So sind sie von der Straße besser zu erkennen.« Bewegliche Teile an den Figuren will er mechanisch in Gang setzen, auch dafür hatte die Zeit 1989 nicht gereicht. Und zu jeder vollen Stunde, wenn der Umlauf seine dreiminütige Runde beginnt, sollen Töne erklingen und die Aufmerksamkeit der Passanten wecken. »Der Umlauf soll zu einem kleinen Spektakel, einer Art Straßentheater werden. Das wünsche ich mir.«